Bakterien – Meister der Anpassung

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Bakterien sind kleine Urgesteine

Anfang des 20. Jahrhunderts unternahmen Forschergruppen Expeditionen nach Sibirien, um mehr über die Region, die Mammuts und den dortigen Permafrostboden zu erfahren. Die Forscher entnahmen Proben aus dem Permafrost und untersuchten diese anschließend im Labor. Das Faszinierende daran: Sie entdeckten sie eine große Vielfalt an Bakterien!

Permafrost bildete sich im Pleistozän, was vor etwa 2,6 Mio. Jahren begann und vor etwa 12.000 Jahren endete. Die Bestimmung des Alters von Gesteinsschichten ist zwar heute möglich und relativ genau, aber auch mit einigen Problemen verbunden. Einige Veröffentlichungen sprechen von etwa 100.000 Jahre alter Proben, in denen Bakterien nachgewiesen wurden. Allerdings ist eine Probenentnahme in der Natur selten unter reinen Bedingungen möglich. Das heißt, dass sie nicht ausschließen können, dass sie selbst welche in die Probe getragen haben. Deswegen sind weitere Untersuchungen notwendig.

Dennoch: Die Bandbreite an Bakterien im Permafrost ist sehr groß (etwa 30 verschiedene Arten) und vielfältig und unterscheidet sich von denen anderer Orte. Neben der Probengewinnung stellt die Vermehrung im Labor eine Herausforderung dar. Es ist sehr wahrscheinlich, dass nicht alle von ihnen mit den herkömmlichen Methoden gefunden werden und die Vielfalt noch weitreichender sein könnte.

Seit wann gibt es sie?

Nach diesen Funden muss es Bakterien vor 100.000 Jahren gegeben haben. Aber Forscher machten noch weitere Entdeckungen. Fossile Funde wiesen mikrobielle Formationen, sogenannte Stromatolithe, auf, die unseren heutigen Bakterien sehr ähnlich waren. Die Funde wurden auf 3,9 Milliarden Jahre zurückdatiert. Somit waren sie in ihrer Grundform bereits “kurz” nach der Entstehung der Erde vor 4,6 Milliarden Jahren auf der Erde zu finden. Die Lebensbedingungen zu dieser Zeit waren heiß und ohne Sauerstoff.

Das Leben, wie wir es heute kennen, ist durch Bakterien möglich geworden. Im Laufe der frühen Erdgeschichte bildeten sich Cyanobakterien, die in der Lage waren, Sauerstoff zu produzieren.

Die frühen Bakterien mussten also an diese Bedingungen angepasst sein, denn zu unseren heutigen Umweltbedingungen unterschieden sich diese frühen Gegebenheiten stark. Wir sind von Sauerstoff umgeben und die Temperatur ist deutlich kühler als zu dieser frühen Anfangszeit. Auch menschliche Entdeckungen und Erfindungen haben maßgeblichen Einfluss auf unsere Umwelt, denken wir da z. B. an das Plastik, was die Meere bevölkert.

Wie aber schafften und schaffen sie es, sich so gut an ihre Umwelt anzupassen?

Wie konnten Bakterien bereits so früh existieren?

Ein wesentlicher Grund mag der sehr einfache Aufbau sein. Bakterien unterscheiden sich nämlich stark von den Zellen, aus denen wir aufgebaut sind. Menschliche, oder auch tierische Zellen genannt, gehören zu den Eukaryoten (griech. eu = “richtig” und griech. karyon = “Kern”). Dieser Begriff zeigt das wesentliche Merkmal tierischer Zellen, nämlich dass sie einen Zellkern besitzen. Und in diesem Zellkern befindet sich unser Erbmaterial, die DNA/DNS (= Desoxyribonukleinsäure).

Bakterien hingegen besitzen keinen Zellkern. Ihr Erbmaterial, das Bakterienchromosom, ist wesentlich einfacher aufgebaut und eben nicht in einem Zellkern organisiert. Vielmehr “liegt” es als Knäuel in der Zelle (ungefähr so, wenn deine Kopfhörerkabel verheddern). Damit werden sie zu den Prokaryoten gezählt (griech. pro = “vor” und griech. karyon = “Kern”).

Unterscheidung Pro- und Eukaryoten
Abbildung 1: Unterschiede zwischen Pro- und Eukaryoten, zwischen Bakterien- und tierischer Zelle Abbildung erstellt mit BioRender.com

In der Abbildung 1 werden Pro- und Eukaryot vereinfacht gegenübergestellt. Der deutlich einfachere Aufbau der Prokaryoten (links) ist mit einem Blick zu erkennen. Sie unterscheiden sich zu tierischen Zellen auch durch ihre Zellwand sowie den Pili und Flagellen. Pili werden z. B. zur Anheftung an menschliche Zellen benötigt, wohingegen Flagellen zur aktiven Fortbewegung dienen.

Die Vermehrung der Bakterien ist sehr viel schneller und einfacher (bei einem Darmbakterium – E. coli – unter optimalen Bedingungen etwa 20 min!). Und auch die Weitergabe des Erbmaterials ist (dadurch) einfacher.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Größe. Im Vergleich zu tierischen Zellen sind Prokaryoten um einiges kleiner. Die meisten sind zwischen 0,5 und 5 µm groß. Tierische Zellen können im Vergleich bis zu 50 µm groß werden. Damit sind Bakterien etwa 20 – 50 x kleiner als ein menschliches Haar im Durchmesser!

Fassen wir also kurz zusammen: Durch den einfachen Aufbau und die schnelle Vermehrung können sich Bakterien sehr schnell an neue Lebensbedingungen anpassen. Im Laufe der Zeit hat sich dadurch eine große Vielfalt ergeben.

Aber wie können wir nun einzelne Bakterien voneinander unterscheiden, wenn die Vielfalt so groß ist? Das vielleicht wichtigste Merkmal der Bakterien, dass sich ebenfalls durch Anpassung ergeben hat, wollen wir einmal kurz beleuchten.

Bist du positiv oder negativ? Das Gram-Verhalten.

Der dänische Biologe Hans Christian Gram (1853 – 1938) begegnete auf seiner Forschungsreise durch Europa zwei Ärzten. Diese behandelten einen Patienten mit Lungenentzündung und fanden zwei unterschiedliche Bakterien. Beide Ärzte sahen die Ursache der Erkrankung zwar in diesen, konnten sich aber nicht auf eines der beiden einigen. Zudem scheiterten beide damit, die Bakterien zu kultivieren. Somit war es ihnen nicht möglich, anderen diese zu zeigen.

Zu dieser Zeit fehlten außerdem geeignete Mittel, um Bakterien unterscheiden zu können und sichtbar zu machen. Gram, der sehr gut mikroskopieren konnte, bekam diesen Streit während seiner Arbeiten in ihrem Labor mit. Durch Zufall – er verschüttete aus Versehen eine Farblösung über das Lungengewebe – entdeckte er, dass sie sich in der Lunge anfärben ließen. Er war nun in der Lage zu zeigen, dass sich Bakterien im Lungengewebe befanden und dass diese sehr wahrscheinlich die Ursache der Lungenentzündung waren.

Das war 1884 und Gram veröffentlichte seine Färbemethode. Daraufhin wurde diese Methode weltweit genutzt, um andere Infektionskrankheiten zu untersuchen. 1886 war es den beiden Ärzten möglich zu sagen, dass beide Bakterien unabhängig voneinander die Ursache für eine Lungenentzündung im Menschen sein kann.

Wie Bakterien mit der Gram-Färbung sichtbar gemacht werden

Die Färbung nach Gram wurde nach seiner Veröffentlichung geringfügig verändert und verbessert. Sie wird bis heute genutzt, um Bakterien anzufärben. Für diese Färbung werden zwei Farbstoffe genutzt: ein blauer und rötlicher Farbstoff.

Zunächst wird mit dem ersten, bläulichen Farbstoff gefärbt. Anschließend wird mit Alkohol eine Entfärbung erzwungen, was nicht bei allen Bakterien klappt. Der zweite Farbstoff (rötlich) dient der Gegenfärbung, um die entfärbten Bakterien ebenfalls sichtbar zu machen (die erwähnte Verbesserung).

Durch die Färbung viel auf, dass es zwei grundlegende Arten gibt: Bakterien, die den ersten (blauen) Farbstoff behalten und die, die mit dem zweiten (rötlichen) Farbstoff angefärbt werden. Dieser Unterschied ist durch ihren Aufbau zu erklären.

Bakterien besitzen eine Zellwand. Diese Zellwand besteht aus Membranen und einer Zuckerschicht, der sogenannten Mureinschicht. Diese Mureinschicht kann unterschiedlich dick sein. Schau dir dazu einfach die Abbildung 2 weiter unten an, wo mit einem Pfeil die beiden Mureinschichten markiert sind, auf die es ankommt.

Blaue/violette Färbung = Grampositiv

Die Bakterien, die sich blau anfärben lassen, werden grampositiv bezeichnet. Sie besitzen eine sehr dicke Mureinschicht. Mit einem weiteren Farbstoff wird der erste Farbstoff in der Mureinschicht fixiert. Das hat zu Folge, dass sich der Farbstoff im dicken Murein festsetzt. Wenn nun Alkohol zugegeben wird, kann der fixierte Farbstoff in der dicken Mureinschicht vielleicht nur oberflächlich gelöst werden, nicht aber in tieferen Schichten.

Grampositive Bakterien “behalten” also den ersten, bläulichen Farbstoff.

Sie sind z. B. Bakterien auf unserer Haut (Staphylokokken), Erreger von Lungenentzündungen (Streptokokken) oder auch Bakterien, die zur Scheidenflora gehören (Laktobazillen).

das Gramverhalten von Bakterien
Abbildung 2: Zellwandaufbau und Gramverhalten von Bakterien
Abbildung erstellt mit BioRender.com

Rot/pinke Färbung = Gramnegativ

Die anderen Bakterien, die den ersten Farbstoff wieder verlieren und mit dem zweiten Farbstoff angefärbt werden, erscheinen rötlich/pink. Sie werden gramnegative Bakterien genannt. Da sie nur besitzen eine dünne Mureinschicht, kann der Farbstoff leicht ausgewaschen werden kann. Der rote Farbstoff zum Gegenfärben gibt ihnen dann ihre typische Färbung.

Typische gramnegative Vertreter finden wir in unserem Darm (E. coli) oder sind Erreger der Legionärskrankheit (Legionellen) oder Harnwegsinfekten (Pseudomonas).

Warum gibt es so viele verschiedene Bakterien?

Wir sind jeden Tag und überall von Bakterien umgeben. Dabei sind sie so vielfältig und extrem gut an ihre Umgebung angepasst. An neue Bedingungen können sie sich schnell gewöhnen und sich verändern. Aber, warum ist das so?

Bakterien bringen wichtige Voraussetzungen mit, um in jedem Lebensraum zurechtzukommen.

  • Es gibt sie schon sehr, sehr lang – sie hatten also schon sehr viel Zeit, sich in unterschiedlichen Bereichen der Erde auszubreiten
  • Sie wachsen schnell – dadurch können sie sich schneller als wir Menschen an neue Umgebungen gewöhnen, anpassen und diese Informationen an die nächsten Generationen weitergeben
  • Sie sind extrem anpassungsfähig – egal, ob heiß/kalt, salzig, trocken/feucht/nass, … sie haben Wege gefunden, um mit diesen Bedingungen zu leben
Übersicht_Anpassungsfähigkeit von Bakterien
Abbildung 3: Wie es zur großen Vielfalt der Bakterien kam
Abbildung erstellt mit BioRender.com

Wir finden sie an Orten, die für uns für ein Leben unmöglich erscheinen. So gibt es Bakterien, die in heißen Thermalquellen leben. Andere finden sich in Seen mit einer sehr hohen Salzkonzentration. Wiederum andere befinden sich in 10 km Meerestiefe, wo kein Sonnenlicht mehr hinkommt und der Umgebungsdruck unglaublich hoch ist. Und neuere Studien zeigen, dass es Bakterien gibt, die sich an den Wandel der letzten 20 Jahre angepasst haben und so z. B. Plastik in Meeren abbauen können.

Leben unter extremen Bedingungen

Durch die drei genannten Fähigkeiten der Bakterien – schnelles Wachstum, langes Vorkommen, Anpassungsfähigkeit – ist es ihnen möglich, (nahezu) jeden Lebensraum zu besiedeln.

Dabei bestimmt der Lebensraum die Lebensbedingungen. Im Erdboden wird eine andere Temperatur, ein anderer pH-Wert und eine andere Energiequelle (Nahrungsquelle) vorhanden sein als im Ozean.

Sie haben darauf reagiert und zeigen z. B. eine dichtere Form ihrer Zellhülle auf, wenn sie an heißen Orten leben. Solche hingegen, die in kalten Regionen (z. B. Permafrost) leben, haben sich durch eine Reihe an Veränderungen angepasst. So sind ihre Eiweiße (Proteine), die normalerweise bei niedrigen Temperaturen sehr starr sind, immer noch beweglich, wodurch Stoffe durch ihre Zellhülle weiterhin aufgenommen werden können. Eine weitere Anpassung ist die Bildung von Proteinen, die die Bakterienzelle im Allgemeinen bei ihrem Stoffwechsel unter sehr kalten Bedingungen helfen.

Sie können sich auch durch das Nutzen der vorhandenen Energiequelle (Nahrungsquelle) anpassen. So können sie entweder Sonnenlicht als Energiequelle nutzen oder die Mineralien von Gesteinen als Nahrungsgrundlage verwenden.

Um extrem sauren pH-Werten zu begegnen, werden Protonen aus der Zelle gepumpt oder die Zellhülle ist besonders undurchlässig für diese Protonen.

Das Gram-Verhalten, das wir weiter oben besprochen haben, hat ebenfalls einen Einfluss darauf, an welchen Orten ein Bakterium überhaupt durch seinen Aufbau leben kann. Ein hoher Umgebungsdruck kann z. B. gramnegativen Vertretern besser ausgehalten werden. Obwohl ihre Mureinschicht dünner ist, bildet sie aber mit den beiden Membranen eine starke dreischichtige Hülle um die Bakterien, die dem Druck standhält.

Der Mensch als Lebensraum für Bakterien

Auch der Mensch als Lebensraum bietet andere Umgebungsfaktoren als z. B. das Meer. Die Temperatur beträgt an den meisten Stellen in unserem Körper 37 °C. Nicht jedes Bakterium kommt mit dieser Temperatur klar. Auch das “kleben” an unseren Nasenhaaren, die Strömung in unseren Blutbahnen oder das Überstehen des sauren Mageninhaltes will gelernt sein.

In der Lunge ist unter Umständen weniger Platz als es sie im Gewässer haben. Und je nachdem, ob es notwendig ist, sich aktiv zu seiner Energiequelle zu bewegen, gibt es Bakterien, die über eben diese Fortbewegungsmittel (die sog. Geißeln) verfügen.

Für all diese verschiedenen Nischen auf unserer faszinierenden Welt gibt es Bakterien, die es verstanden haben, sich anzupassen und dort zu leben.

Interessante Fakten über Bakterien

  • die kleinsten Bakterien: Mykobakterien
  • das größte (an Land): Priestia megaterium (10 µm)
  • das größte (im Wasser): Thiomargarita namibiensis (750 µm; Schwefelbakterium)
  • Bakterienzahl
    • im Meer: ~ 1 Million/mL
    • in der Erde: 14 Billionen/m2
    • im Menschen (Darm): 300 Milliarden/g

Zusammenfassung

  • Bakterien gibt es schon sehr lange auf unserer Erde. Untersuchungen haben gezeigt, dass die ersten mikrobiellen Formationen (Stromatolithe) auf fossilen Funden bereits vor 3,9 Milliarden Jahren existierten.
  • Sie passen sich seit jeher an die Umweltbedingungen an und sind heute in (nahezu) allen Bereichen der Erde zu finden.
  • Sie haben Wege gefunden, um mit extremen Temperaturen (Geysir/Permafrost), hohen Salzkonzentrationen oder verschiedenen Wirten
    (z. B. Mensch) klarzukommen.
  • Diese Anpassungen sind durch ihr langes Bestehen, ihren einfachen Aufbau und ihr schnelles Wachstum mit schneller Weitergabe der Informationen an ihre Nachkommen möglich.
  • Eine wichtige Anpassung, nach der wir heute Bakterien unterscheiden können, ist das Gramverhalten.

Bakterien sind einfach wahre Anpassungskünstler und zeigen uns dadurch eine unglaublich faszinierende Welt ihrer selbst. Hättest du gedacht, dass sie sich so schnell anpassen und quasi überall zu finden sind?

Ich freue mich auf deinen Kommentar 🙂

Alles Liebe
Isabell

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